Neues vom LED Cover

Neues vom LED von Stephan Böhme

Mitten in der russischen Tundra hat er sich verschanzt, der „einsame Wolf“ der kalten Steppe, der „letzte Gerechte“, wie er denkt. Eine Figur voller Widersprüche, die die Denkweisen eines Wladimir Putin unter dem funzligen Licht einer LED-Lampe wie kein zweiter ausgewanderter deutscher Staatsbürger aufgesogen hat, und doch mit innersten Widersprüchen hadert. Vielleicht nicht zuletzt eine Hommage ans eigene Leben des mittlerweile St. Petersburger Bürgers Stephan Böhme.

Stephan Böhmes „Neues vom LED“ – Inhalt

Hersel ist ein kleines, beschauliches Dorf in der Nähe der einstigen Bundeshauptstadt Bonn. Wer hier wohnt, sieht eher dem Lebensabend entgegen, anstelle noch einmal neu aufzubrechen. Findet Stephan, der in diesem Dorf ein eigenbrötlerisches Leben führt. Der tägliche Arbeitsweg ist weit, die „systemgerichteten“ Mitmenschen in Bus und Bahn öden ihn an.

Ein Umzug kommt für ihn nicht in Frage. Wirklich nicht? Doch, aber nicht Richtung Bad Honnef, sondern nach Russland! Die Hürden dafür sind enorm, Stichwort Reiserückkehrwilligkeit, doch dieser Staat und seine Ideen ziehen ihn so sehr an, dass er nicht aufgibt.

Im Verlaufe der Geschichte lernen Leser wie auch Stephan die Gestalten des heutigen Russlands kennen. Da ist Juri, der 1992 aus der ehemaligen DDR als Soldat heimgekehrt ist und den der Staat vergessen hat, wie einst die Sowjetunion die Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Er hofft, dass auch er eine späte Würdigung bekommt in Form einer höheren Rente, aber nicht erst 90jährig auf dem Sterbebett. Juri ist Stephans nächster Nachbar, einen direkten Attaché gibt es bei Stephans Verschlag nicht.

Marina wohnt mit ihrer Schwester in der Stadt. Sie teilen sich eine WG, in der jeder Raum lediglich 1 Steckdose hat. Bei Ausfällen der Technik rückt man im Wohnblock zusammen. Marina ist „Fänin“ (O-Ton) von Lokomotive Moskau und wegen ihres Fußballsachverstands bei ihren männlichen Freunden hoch angesehen. Stephan ist ein wenig verliebt in sie, versucht das aber beharrlich zu verbergen.

Und da ist da noch die große Unbekannte, von der man nicht weiß, ob es die Staatsgewalt oder eine Metaform ist. Bis zuletzt ist nicht klar, ob sich Stephan mit ihr arrangieren wird oder nicht. Väterchen Russland ist eben nur zum Teil ein Bild der Idylle. Eine mehrteilige Fortsetzung dieser Reihe ist indes nicht ausgeschlossen, da der Autor Böhme wohl zeit seines Lebens sein Dasein nahe des LED St. Petersburg wird fristen wollen…

Warum „Neues vom LED“ so geil ist

Wer hinter dem Erstlingswerk von Stephan Böhme das Werk eines verkappten Spinners vermutet, liegt falsch. Böhme betrachtet sich und seine Figuren durchaus reflektiert und arbeitet sich an Putin, Assad und wen er alles in diese Achse aufnimmt, mitunter munter ab. Genauso kommen aber auch die westlichen Gegenspieler unter die Räder. Insgesamt ist das Buch also sehr ausgewogen.

Für Heiterkeit sorgt indes die Figur der Marina, die mit ihren freien Übersetzungen (so etwas kann man sich nicht ausdenken, da steckt ein echter Charakter hinter) ins Deutsche für regelmäßiges Schmunzeln bis lautes Lachen sorgt. Zu Stephans Geburtstag bringt sie bunte „Luftkugeln“ mit Helium gefüllt vorbei, ihre wohlgenährte Schwester ist ein „Leckermaul“ und alle um sie herum sind so „wundergescheit“, dass es eine Freude ist, ihr beim Zugucken ihrer Mitmenschen zuzugucken.

Die Rolle der Russen und ihrer Wirtschaft in Verquickung mit politischen Sanktionen und Heimatinsolvenzen wird differenziert betrachtet, wobei Böhme hier fast in eine Reportage abgleitet. Man merkt, es ist sein erster Prosa, und deswegen sieht man es ihm nach.

Unterm Strich zählen die Erfahrungswerte. Da kann man zum Schluss ruhig ein wenig herumspinnen, wenn KGB, CIA, BKA, GFM und wie sie alle heißen fröhlich gegen alles Mögliche verdächtigt und diesem und jenem, was dem Titelhelden passiert, bezichtigt werden.

Was hätte Stephan Böhme anders machen können?

Menschen wie Böhme kommt man typischerweise mit einer Reihe von Pauschalurteilen, als da wären:

  • Putinversteher
  • Kommunist
  • Ewiggestriger
  • Russlandromantiker
  • Insolvenzverbrecher
  • und, und, und.

Jeder, der eines davon oder alles unterstellen möchte, findet in diesem Buch Belegzeilen über Gebühr. „Neues vom LED“ trifft nicht jeden Geschmack, die vermittelten Ansichten gerieren sich mindestens als streitbar.

Doch meistens sind es doch erst jene Druckwerke, über die Anhänger und Gegner gleichermaßen engagiert zanken, und die man dafür auch erstmal gelesen haben muss.

Wir halten fest, was hätte Böhme anders machen müssen? Vielleicht in ein anderes Land fahren und dort sein Buch schrieben. Dann würden wir jetzt etwas über Kubas Postfidelimus oder Chinas Aufbruch zur Kapitalmacht Nummer 1a lesen. Ich bin mir sicher, dass aber auch solche Bücher in ein paar Jahren im Museum stehen werden, wenn es sie nicht längst schon gibt.

Bibliographische Angaben

Zum Buch

„Neues vom LED“
Stephan Böhme
BoD E-Short
2018


Zum Autor

Stephan Böhme ist 2008 nach Russland ausgewandert. Als was er dort lebt, ist weitgehend nicht bekannt. Er verdingte sich weiland aber als Autor von Büchern wie diesem hier.